Wenige Wochen vor der ersten Gerichtsverhandlung wegen Mordes an Lara Clarkson sitzt der gealterte Musikproduzent Phil Spector in seinem Anwesen. Im Hintergrund das weiße Klavier, auf dem John Lennon „Imagine“ eingespielt hat, rechts im Bild eine Ritterrüstung. Im Vordergrund erzählt Phil Spector im perfekt sitzenden Anzug von sich und seiner Karriere.
In seinem Film The Agony and the Ecstasy of Phil Spector mischt der Regisseur Vikram Jayanti auf interessante Weise drei Ebenen: Das Interview mit Phil Spector in dessen Haus, Fernsehmaterial von der Gerichtsverhandlung und Aufzeichnungen von Musiknummern. Als vierte Ebene werden immer wieder Zitate aus der Spector Biographie The Wall of Sound eingeblendet, in denen die Musikstücke analysiert werden. Das ergibt eine Mischung, die auf mich stellenweise faszinierend manipulativ wirkt. Denn durch die Spaltung und Neumischung von Bild, Ton und eingeblendeten Zitaten werden z.B. Bilder von Spector im Gerichtssaal mit einer Bedeutung aufgeladen, die ihnen gar nicht innewohnt. Während der Staatsanwalt die Taktik der Verteidigung zu zerstören versucht und Spector mit zitternden Hännde und stierem Blick im Saal sitzt, besingen uns auf der Tonebene die Teddy Bears mit To Know Him Is To Love Him. An einer anderen Stelle sehen wir die Vorgänge im Gerichtssaal und lesen in den Inserts Texte über die berühmte wall of sound, die Spectors Arbeit als Musikproduzent so berühmt gemacht hat.
Den Umgang und die Mischung der verschiedenen Materialien fand ich sehr interessant. Aber etwas hat mir gefehlt: Wenn der Regisseur im Publikumsgespräch meint, dass sein Film darauf aufbaut, dass Spector selbst über sich, den „guten Phil“ spricht, und man im Gerichtssaal Informationen über den „bösen Phil“ bekommt, so stimmt das für mich nicht. Es wird das Musikgenie (das Spector sicherlich ist!) gefeiert, aber der Abgrund in diesem Menschen, der sogar in einem Zitat am Anfang des Films angesprochen wird (s. auch Beginn des Trailers), kommt meines Erachtens zu kurz. Auch die Phase in der Spector fast keine Musik mehr produziert hat, wird ausgespart. Für mich wäre es dadurch noch interessanter geworden, obwohl ich die Dramaturgie des Films grundsätzlich schon spannend fand.
Musikdokumentationen stehen übrigens in diesem Jahr bei der Viennale wieder hoch im Kurs. Mal sehen, ob ich Zeit habe, mir die über die White Stripes anzusehen.