über das lesen und die bücher

„das ist ein sehr ernstes buch – zum nachdenken. damit die menschen nicht wieder so schreckliches anstellen. dein papi.“ das ist die widmung, die mir mein vater in das buch „sadako will leben“ von karl bruckner hineingeschrieben hat, als er es mir an meinem 11. geburtstag geschenkt hat.
in unserer familie wurde immer viel gelesen, auch beim essen. zeitungen, magazine, bücher – alles und ständig. als ich mit 6 jahren lesen konnte, habe ich begonnen, bücher zu verschlingen, egal ob es geburtstagsgeschenke, lesebücher in der schule oder später die pflichtbücher für den deutschunterricht waren. mit 13 hielt ich in deutsch ein referat über wolfgang borchert. das war meiner beliebtheit wenig zuträglich („literatin“ war damals kein nett gemeinter spitzname), aber egal, ich hatte meine bücher.

konsequenterweise studierte ich nach der matura germanistik im hauptfach. um nach zwei semestern mein nebenfach publizistik zum hauptfach zu machen, weil mich das sprechen über literatur auf der germanistik großteils nicht interessiert hat. sprachwissenschaft fand ich aus denksportartigen gründen interessant (ich war ja auch gut in mathematik), wenn auch anstrengend. alt- und mittelhochdeutsch waren eine qual (wie latein damals in der schule). und gelesen habe ich nur mehr das, was ich fürs studium lesen musste. nach einem mehr als vierjährigen exkurs zum theater als regieassistentin, wo ich hauptsächlich dramen gelesen habe, ging ich zurück an die uni und machte meinen abschluss, quasi augen zu und durch.

an irgendeinem abend lag ich dann im bett und las einen roman, und plötzlich dachte ich „interessant, ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte mal zum vergnügen einen roman gelesen habe.“ ich habe dann nachgerechnet, und es waren etwa 10 jahre. also ziemlich genau die zeit zwischen studienbeginn und meinem letzten seminar auf der germanistik.

kurze zeit später landete ich beim film und las drehbücher. viele drehbücher, fast jeden tag ein neues, und am abend hatte ich keine lust auf noch mehr text vor der nase und noch mehr bilder im kopf. ich hatte zwar sporadische lesewellen, im urlaub zum beispiel, aber bücher habe ich kaum gekauft. ich habe sie höchstens in der bibliothek ausgeliehen oder geschenkt bekommen. so ging das über die letzten 10 jahre.

vor einigen monaten habe ich mich dann entschieden, einen ebook reader zu kaufen, und zwar weil ich entdeckt hatte, dass sowohl die büchereien wien als auch die bibliothek der wiener arbeiterkammer eine virtuelle bibliothek besitzen. und plötzlich habe ich wieder begonnen zu lesen. manches nur teilweise, weil mir der stil oder die geschichte nicht gefiel, dann wieder einige tage gar nichts aus zeitmangel. aber ich lese viel mehr als vorher. in der ubahn, im wartezimmer beim arzt, an der haltestelle, am abend und am morgen im bett, am wochenende auf dem sofa. es ist wirklich erstaunlich.

was aber noch erstaunlicher ist: ich kaufe wieder bücher. und zwar so richtige, aus papier. aber das sind meistens keine romane, sondern bücher über grafikdesign, illustration, kunst. bücher mit bildern drin. graphic novels von kleinen independentverlagen. bilderbücher für kinder. bilderbücher für erwachsene. künstlerische comics. bücher darüber, wie man selber kleine bücher macht. und es macht mir besonders spaß, bücher von kleinen verlagen zu kaufen.

aber ab heute will ich einen schritt weiter gehen. weil ich vorhin im thalia auf der mariahilferstraße war. jetzt weiß man ja über die grässlichen geschäftspraktiken dieser kette bescheid, und ich bin auch nur hineingegangen, weil ich einen bestimmten skizzenblock in der künstlerbedarfabteilung gesucht habe, aber heute war es anders als sonst. heute fuhlte ich mich förmlich erschlagen von den geschenkartikeln, den dvds, den computern, dem shop-im-shop system („mannerschnittenshop“ in einer bücherkette? wtf?), der ganzen atmosphäre, die auf gewinnmaximierung durch massengeschmack ausgerichtet ist. die (mainstream)bücher sind nur mehr ein kleiner werdender teil diese gemischtwarenhandels. und ich musste dann sehr schnell raus, weil es mich plötzlich so abgestoßen hat.

jetzt bin ich ja ein sehr pragmatischer und realistischer mensch und verstehe durchaus, dass unsere welt nun mal nach kapitalistischen grundsätzen funktioniert. und es geht hier nicht darum, dass es mich wundert. ich denke, dass man, wenn man das system gar nicht unterstützen will, auf einen energie- und essensautarken biobauernhof ziehen müsste. alles andere ist nämlich letztlich inkonsequent. ich liebe aber wien und mein leben, so wie es ist. aber es gibt entscheidungen, die ich anders treffen kann. ich kann nämlich die bücher an den orten kaufen, wo man sie schätzt. in den kleinen buchhandlungen, zum beispiel im phil. und das werde ich ab jetzt machen. ist eigentlich eh ganz einfach. (p.s.: mit essen kann man das übrigens auch tun.)

Comments 3

  1. Ja, liebe Ines, ich kenne diesen Thalia-Grausen gut! Ich betrete dieses Geschäft nur mehr, weil sie eine relativ gute Kinder-Abteilung haben. Der Rest ist zum Vergessen. Thalia verhält sich zu Büchern so wie McDonalds zu Essen… Wenn es nur die bei Thalia erhältlichen Bücher gäbe, hätte ich schon längst zu lesen aufgehört…

    Ein Tip noch von einer Berliner Autorin, wie man AutorInnen und engagierte Verlage am besten unterstützen kann: Informationen gerne bei Amazon/Thalia/etc. holen, aber bestellen nur via Verlags-Homepage. Konditionen sind dieselben wie bei Amazon, aber diesem kleinen Klick mehr, geht das Geld direkt an die Guten… grins…

  2. Post
    Author

    Heidi, der Vergleich mit McDonalds ist gut. Hier wie dort geht es nicht mehr um die Freude und den Genuss beim Lesen/Essen.
    Wegen dem Klicken fällt mir noch etwas ein: Ich finde es oft sehr bequem, direkt zu Amazon zu verlinken, wenn ich was über ein Buch auf Facebook oder hier im Blog schreibe. Aber ich kann genauso gut auf die Verlagshomepage verlinken.

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