Der Vorsatz.

Neujahrsvorsätze mache ich keine. Wenn ich etwas ändern will, beginne ich einfach damit; das habe ich in den letzten Jahren einige Male probiert, und es funktioniert. Aber manchmal suche ich mir zu Jahresbeginn ein Motto, das ich dann auch als Passwort für den Sperrbildschirm meines Computers einrichte, als Erinnerung. (Wobei – ein Motto ist ja auch ein Vor-Satz, sozusagen. Na, egal!)

Heuer habe ich etwas gewählt, das sich seit Monaten abzeichnet. Und das ging so: Es muss wohl vor über einem Jahr gewesen sein, im Dezember 2014, als der Sender Ö1 einen ganzen Tag der Schriftstellerin Friederike Mayröcker widmete. Sie wurde damals 90. In einem Interview sprach sie über ihren Arbeitsablauf. Von in der Früh bis mittags würde sie schreiben. Und danach würde sie lesen, beobachten, analysieren, notieren (das Originalinterview finde ich nicht mehr, aber hier beschreibt sie es auch ein wenig). Diese Vorstellung eines Tages mit einem halben Tag Arbeit und einem halben Tag von „anderem“ hat sich als großer Wunsch in mein Gedächtnis eingebrannt – aber wieso eigentlich? Ich kann mir doch meine Zeit als Selbständige ohnehin frei einteilen. Aber ich bin draufgekommen, dass mein Selbstbild von mir als erfolgreicher Freelancerin ziemlich verschoben ist. Obwohl ich mir die Zeit großteils wirklich frei einteilen kann und manchmal durchaus an einem Mittwoch Nachmittag frei habe (und an einigen Sonntagen dafür dann eben nicht), zählen in meinem Kopf offenbar nur Schreibtischstunden als Arbeit, bei denen ich beruflich bedingt auf die Computertasten drücke, damit Texte im Word erscheinen. Alles andere ist Prokrastination, und die gehört natürlich bestraft! Sie ist ineffizient, unproduktiv, verantwortungslos und vor allem auch total unerwachsen. Ja, genau so sehe ich mich seit Jahrzehnten.

Obwohl: In den letzten Jahren bin ich etwas milder mit mir geworden. Mein schlechtes Gewissen meldet sich nicht mehr ganz so stark, wenn ich an einem Wochentag von mittags bis abends in Museen bin. Aber es ist trotzdem immer da. Eigentlich schrecklich – ich liebe Museen, und ausgerechnet dann, wenn nicht so viele Leute dort sind und ich Zeit dafür habe, kann ich es nicht genießen und hetze durch die Säle, als müsste ich mich auf einem unerlaubten Freigang vor den Gefängniswärterinnen verstecken.

Inzwischen habe ich zumindest verstanden, dass meine Definition von richtiger Arbeit verkorkst, ungesund, und für meinen kreativen Beruf und meine persönliche Arbeitsweise völlig unpassend ist. Und da kommt das Motto für 2016 ins Spiel: Inspiration. Beim Nachdenken über meine Arbeitsweise bin ich nämlich draufgekommen, dass sie zu einem gar nicht so unwesentlichen Teil daraus besteht, anderen Menschen etwas mitzugeben. Die guten Besprechungen erkenne ich unter anderem daran, dass ich ausgelaugt bin, aber eben auf die gute Art. Weil ich mit meinem Gegenüber so lange Ping Pong gespielt habe, bis wir gemeinsam auf den Grund der Sache gekommen sind. Im Idealfall geht die andere Person mit neuen Perspektiven nach Hause, die den Blick auf eine Geschichte, ein Drehbuch, eine Sache verändern und bereichern.

Nach dem Schreiben einer detaillierten Drehbuchanalyse oder nach einem langen Meeting fühle ich mich oft richtig ausgeleert. Das ist völlig in Ordnung, denn mein Job als Story Consultant ist es, Sparring-Partnerin, Zuhörerin und Geschichten-Hebamme zu sein.  Bloß habe ich es bisher nie ernst genommen, dass ich mich auch wieder mit Energie und Kreativität anfüllen muss. Es ist eben keine Prokrastination, wenn ich unter tags lange Artikel im Internet lese, Podcasts über alle möglichen Dinge anhöre, in Museen gehe, einfach mal ein Buch lese, das nichts mit einem aktuellen Projekt zu tun hat oder eine zeitlang in die Luft schaue. Ich habe bisher nur das Ausatmen gelten lassen, und das Einatmen niedergemacht.

Der Plan für dieses Jahr ist es, der Exspiration eine Inspiration gegenüber zu stellen, die ich genau so ernst nehme wie die Momente, in denen ich beruflich Worte auf dem Bildschirm erscheinen lasse. Ich werde hier ab und zu darüber schreiben, ob mir das gelingt und was ich dabei entdecke. Inzwischen freue ich mich auf die Bücher, Vorträge, Museumsbesuche, Filme, das In-die-Luft-Starren und was mir sonst alles noch einfällt – ab jetzt ohne schlechtem Gewissen.

Achja, ich experimentiere jetzt auch mit Snapchat, wo ich manchmal kurze Einblicke in meine Inspirationen gebe. Folgt mir, mein Username ist @ineshae!

Hallo Snapchat! Das ist mein Snapcode. @ineshae

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Euch gefällt, was ich hier auf meinem Blog poste? Das freut mich! Ihr könnt gerne mal hier im Blog einen Kommentar hinterlassen, oder mir ein paar freundliche Worte per E-Mail schicken. Außerdem freue ich mich auch sehr über ein Buch von meinem Wunschzettel. Das kann ich dann alles lesen, wenn einmal einer dieser Momente um die Ecke kommt, in denen Motivation oder Inspiration kurz Pause machen. Danke euch fürs Lesen und Mitreden und Dasein! <3

Comments 6

  1. Sehr schöne Worte, die mir aus der Seele sprechen. Hab da ähnliche Gefühle was die (kreative) Arbeit angeht. Man hat immer das Gefühl sich bei seinem Gewissen für seine Tätigkeiten rechftfertigen zu müssen und das hemmt irgendwie sinnfreies Arbeiten um neue Gedankenkombinationen sprießen zu lassen.
    Auf ein inspiratives, kreatives und Gehirnwolken-loses, bedeutungs-schwangeres, Gedankenerfülltes 2016!
    Danke Ines ;-)

    Gruss P.

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    Offenbar geht es einigen von uns so, wie ich auch den Kommentaren auf Facebook entnehme. Und „Gehirnwolkenlos“ gefällt mir ganz besonders, so machen wir das!

  3. Den Fokus auf das „Ausatmen“ zu legen, ist Teil unserer, aus der Harmonie gefallenen Lebensweise. Stellt man sich das Leben als Gespräch vor, als Hören und Sprechen, dann ist das Sprechen das scheinbar Aktive und hören das Passive. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, wie viel Energie wir brauchen, um gute ZuhörerInnen zu sein. Trotzdem wird das „Passive“ immer noch abgewertet.
    Denn die Gesellschaft vermittelt uns, dass nur das Sprechen, das Geben, das Machen und Tun – Aktivität also – „gut“ ist. Hören, Warten, Aufnehmen, Annehmen ist „nichts“.
    Wir haben also Geschenke, in Form von Worten und Werken, aber niemand will sie annehmen. So reden wir schneller, lauter, eindringlicher, wir schreien, um Gehör zu finden. Doch wenn niemand da ist, um zu hören, werden wir frustriert, müde und heiser. Wir nennen das dann zum Beispiel „Burn-out“.
    Bei kreativen Menschen ist es besonders klar sichtbar, dass das Leben ein Gespräch ist. Es bedarf der Inspiration, des Einatmens, des Zuhörens, um in einer Aktion, mit einem Werk, Wort,… darauf zu reagieren.
    Was du in deinem „Nicht-Vorsatz“ beschreibst, bedeutet für mich: das (dein) Leben wieder in Harmonie zu bringen und sich der essentiellen Bedeutung von Ruhe und Passivität wertschätzend zu nähern. Wunderbar!

  4. zu nicht-projektzeiten halte ich seit jahren an der halbtags-arbeit fest. ich wußte lange nicht warum, und hab mich selber als „faul“ abgestempelt, aber ich merke zunehmend, daß ich diese zeit brauche, um dann bei projekten wieder vollgas geben zu können, ohne die nerven und das hirn zu verlieren.

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    @Barbara: Mich verwundert es ja schon, dass ich so alt werden musste, um zu kapieren, dass „Inspiration“ von „Inspirare“, einatmen kommt. Und ich bin andauernd nervös, weil ich das Gefühl habe, ich müsse etwas tun. Sofort. Sonst gilt das Leben nicht. ganz schön anstrengen… Aber ich stelle mich der Herausforderung des Passivseins, wie du schreibst. Danke für deine Worte!

  6. Post
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    @katharina: irgendwie sehr arg, dass wir uns selber als faul abstempeln, wenn wir in Wahrheit Atem holen. Ich weiß ganz genau was du meinst. Das ist alles total verkehrt! Das gehört anders.

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