Vom Verkleiden und Verehren. Mein erster Besuch auf einer ComicCon.

Mit Fotos kenne ich mich ein bisschen aus. Und ich mag Instagram. Von Comics habe ich aber keinen blassen Schimmer, zumindest nicht von der Marvel- und DC-Abteilung. Ich sammle keine Figuren, und Cosplay kenne ich nur aus dem Fernsehen. Deswegen habe ich zuerst nicht reagiert, als es über die IgersAustria Community Tickets für die Vienna ComicCon gab.

Fast Forward zum Nachmittag des 21. November. Es war eine Eintrittskarte übrig, und meine Neugierde hat gesiegt. Am Eingang empfängt mich Wolfgang von den IgersAustria mit meinem Ticket und zeigt mir gleich seinen Inktank-Stand mit dem  Hashtagprinter, der alle Instagramfotos mit dem Hashtag #vieccinktank automatisch ausdruckt.

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Vienna ComicCon 2015. Der Inktank. Dahinter verbirgt sich der Hashtagprinter.

Überall wummert sehr laute Musik, und ich stehe kurz planlos herum. In den nächsten zwei Stunden schaue ich mich um, fotografiere und versuche die verschiedenen Faszinationen zu begreifen, die sich da in der kahlen Messehalle treffen.

Es gibt Menschen, die mit viel Können Figuren modellieren. Das würde ich auch gerne können, denke ich, aber nur kurz, weil ich gleich abgelenkt werde.

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Vienna ComicCon 2015. Ich will können was er kann.

Es sind die vielen Brüste, die mich ablenken. Am Anfang schiebe ich es einfach aus meiner Wahrnehmung, aber sie sind nicht zu übersehen, diese Brüste. Sie hüpfen mir von Zeichnungen entgegen (sowohl von Männern als auch von Frauen gezeichnet), von Abbildungen, auf den Covers von Büchern, auf großen länglichen Polstern, von Mousepads, und am Ende auch noch in echt. Also auch die sind nicht echt, sondern aus Silikon (nehme ich an), aber sie gehören zu einem lebenden Menschen. Ich rede mir ein, dass das eben so ist bei den Mangas und in dieser Comic-Welt, aber ich kann nicht wegschieben, dass es mich nervt.

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Vienna ComicCon 2015. Mousepadbrüste.

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Vienna ComicCon 2015. LeeAnna Vamp ud ihre Brüste.

Das ist LeeAnna Vamp, und sie ist ein Star unter den Cosplayerinnen. Sie hat fast 650.000 Fans auf Facebook, und 146.000 folgen ihr auf Instagram. Als ich mir später die Seiten genauer ansehe, kann ich ein bisschen nachvollziehen, was sich da abspielt: Sie inszeniert sich als Projektionsfläche für eine bestimmte Zielgruppe, und das macht sie bewundernswert perfekt. Und davon bin jetzt sogar ich ein bisschen fasziniert.

Randnotiz: Es gibt sie natürlich, die Heldinnen, die nicht primär aus Busenfantasien bestehen. Im Universum des japanischen Animegroßmeisters Hayao Miyazaki zum Beispiel. Meine Freundin Bigii hat das auf der ComicCon als Prinzessin Mononoke bewiesen. Und immer wieder sehe ich Cosplayerinnen, die sich männliche Charaktere aneignen, auch das gefällt mir.

Aber zurück zur Messehalle. Dort sind es nicht nur die Brüste, die einen mittleren Reizüberflutungsanfall bei mir auslösen. An allen Ecken und Enden schreit irgendetwas „Kauf mich!“. Viel Manga und japanische Gimmicks, Cosplayzubehör, einiges aus dem Fantasy-Universum.

Vienna ComicCon 2015. KAUF MICH!

Vienna ComicCon 2015. KAUF MICH!

VieComicCon 2015. Kauft kleine Ohren! Kauft sie!

VieComicCon 2015. Kauft kleine Ohren! Kauft sie!

Und es gibt absurde Dinge: Wenn man ein Foto von sich auf dem Fahrersitz im echten K.I.T.T. aus Knight Rider haben will, muss man 20 Euro bezahlen. Das ist halt so auf ComicCons, vermute ich. Aber Knight Rider im Jahr 2015? Wahrscheinlich rechnet man damit, dass die Eltern, die mit ihren Kindern hier sind, aus Nostalgie über ihre eigene Kindheit ihre Geldbörse zücken.

Apropos Auto: Mir läuft plötzlich ein Bekannter über den Weg. Georg ist der erste Cosplayer, den ich persönlich kenne, und er sieht dem Regisseur und Comedian Kevin Smith wirklich ähnlich.

Aber wir unterhalten uns nicht über Filme, sondern über die Merkwürdigkeit, dass sich eine Fahrschule unter den Ausstellern befindet. Gut, vielleicht passt der gelbe Lamborghini, den sie dort stehen haben, zur Zielgruppe. Aber selbst nachdem ich mir später ein Zuckerl von der Fahrschulstand-Hostess schenken lasse, habe ich es noch nicht so wirklich verstanden.

Ich mische mich weiter unters Volk und schaue mir die vielen Cosplayer an. In einigen der Kostüme stecken sichtbar unzählige Nächte und Wochenenden, an anderen ist das billige Polyester der Stoffe und Perücken auffälliger als alles andere. Wieder andere lassen mich zweimal hinschauen, weil man die Kreativität sieht, mit der aus einfachen, alltäglichen Dingen fantasievolle Kostüme genäht wurden. Spaß haben aber alle. (Dass ich natürlich bei vielen nicht weiß, wen sie darstellen, ist mir peinlich, aber das sei normal, erzählt mir jemand.)

Vienna ComicCon 2015. Herzkönigin & Co.

Vienna ComicCon 2015. Herzkönigin & Co.

Vienna ComicCon 2015. Poison Ivy

Vienna ComicCon 2015. Poison Ivy

Vienna ComicCon 2015. Moi, lieb - die Ninja Turtles!

Vienna ComicCon 2015. Moi, lieb – die Ninja Turtles!

Vienna ComicCon 2015. Poison Ivy

Vienna ComicCon 2015. Star Wars!

Vienna ComicCon 2015. Na'vi und Co.

Vienna ComicCon 2015. Na’vi und Co.

Vienna ComicCon 2015. Hauteng.

Vienna ComicCon 2015. Hauteng.

Vienna ComicCon 2015. Er macht Geräusche!

Vienna ComicCon 2015. Er macht Geräusche! #starwars

Vienna ComicCon 2015. Hände hoch! #huch

Vienna ComicCon 2015. Hände hoch! #huch

Vienna ComicCon 2015. Wer ist das?

Vienna ComicCon 2015. (Wer ist das?)

Vienna ComicCon 2015. Kämpft!

Vienna ComicCon 2015. Kämpft!

Vienna ComicCon 2015. Zelda und Co.

Vienna ComicCon 2015. Zelda und Co.

Am Ende habe ich lange nachgedacht über die Lust am Verkleiden, und über das Verehren und Fansein. Ich bin ja selbst ein Fan, zum Beispiel von Game Of Thrones. Ich liebe es generell, in die Universen von Geschichten einzutauchen, auch über die Fernsehausstrahlung der Serie hinaus. Trotzdem würde ich mir dafür wahrscheinlich kein Cosplay aussuchen. Und auf den Eisernen Thron habe ich mich auch nicht gesetzt, obwohl die Schlange gar nicht so lang war. Der sah nämlich etwas mickrig aus, und das Sweatshirt des gelangweilten Whitewalkers war auch nur auf der Vorderseite bemalt.

Vienna ComicCon 2015. Aufstellen zum Größenvergleich!

Vienna ComicCon 2015. Aufstellen zum Größenvergleich!

Vienna ComicCon 2015. Der kleine Thrn und der gefakte Whitewalker.

Vienna ComicCon 2015. Bored Whitewalker is bored.

Worauf ich hinaus will: Ich habe entdeckt, dass es die Illusion ist, die mir gefällt. Die Vorstellung, dass diese fiktionale Welt real ist, zumindest für die 50 Minuten, in denen ich eine Episode lang beim Zuschauen hineinkippe. Aber wenn ich Batman in einer Messehalle Kaffeetrinken sehe, die Theaterfarbe am Whitewalker-Kostüm abblättert, oder Poison Ivy die Perücke verrutscht, dann löst sich die Illusion vor meinen Augen auf. Zwar überträgt sich die Freude am Fansein trotzdem, und ich bewundere den Aufwand, den ich bei den Cosplayern erkenne und habe Spaß, ihnen zuzusehen, aber für mich persönlich ist das nichts.

Vienna ComicCon 2015. Batman wacht auf.

Vienna ComicCon 2015. Batman wacht auf.

Nach zwei Stunden tun mir meine Füße weh, und mein Kopf dröhnt von der lauten Musik in der Halle. Das wars für mich, ich will gehen. Und dann bleibe ich doch nochmal hängen.

Wenn ich ganz oben gesagt habe, ich hätte mit Comics nichts am Hut, dann ist das ja ein klein wenig geflunkert. Denn Comics interessieren mich schon, aber nur die Indie Comics und die Graphic Novels, die sich oft an der Schnittstelle zwischen Illustration und Kunst bewegen. Hier war es ein Daumenkino, das mir ins Auge gesprungen ist.

Ich fange ein Gespräch an, und erfahre, dass die Menschen hinter dem Tisch Wolf Matzl und Moana Rom sind. Beide sind Mitglieder von Tisch 14 – unter diesem Namen haben sich mehrere österreichische IllustratorInnen und ComiczeichnerInnen zusammengeschlossen. Sie geben immer wieder Sammelbände heraus, und ich muss natürlich sofort einen davon kaufen.

Vienna ComicCon 2015. Yay, Daumenkinos!

Vienna ComicCon 2015. Yay, Daumenkinos!

Besonders angetan hat es mir aber das Daumenkino, das ich natürlich auch erstehe. Es gibt inzwischen viele verschiedene, und ich bin ganz begeistert von den unterschiedlichen Stilen und Geschichten, die da durch meine Finger rauschen. Und als Draufgabe kann ich nicht ohne den Minicomic Ja, aber… Das Zuckermonster von Moana Rom heimgehen.

Vienna ComicCon 2015. Ja, aber...

Vienna ComicCon 2015. Ja, aber…

Jetzt habe ich also doch noch einige tolle Trophäen als Erinnerung in der Tasche und bin ich endgültig bereit zu gehen. Die Ubahn teile ich mir noch mit einigen Cosplayern, und zu Hause bin ich dann wieder in meiner Welt. Mit vielen Fotos und um eine spannende Erfahrung reicher.

Danke nochmal an Wolfgang und die IgersAustria, ohne die ich das alles nicht erlebt hätte. 

Comments 5

  1. Großartiger Artikel! Ich war selbst am Sonntag dort und ich muss sagen Du hast die Atmosphäre sehr gut eingefangen, die Faszination und das gleichzeitige überfordert-sein. Schön wenn man nicht alles was dort passiert verstehen oder mögen muss – einen Besuch war es trotzdem wert!

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    Danke! Und ich bin froh, dass das mit der Überforderung nicht nur mir so ging. Es war schon ein bisschen wie ein Trip zu einem fremden Planeten…

  3. Oh. Danke für die liebe Erwähnung und die Verlinkung! Mir geht es mit den Brüsten ähnlich, deshalb mag ich viele Comics einfach nicht. Mein Eindruck war ähnlich. In der Halle gab es am Samstag vor allem viele Menschen die sich um viel Ramsch drängelten. Dazwischen hab es aber ein paar Diamanten zu entdecken. Mein Mitbringsel sind Origami Ohrringe. :)

  4. Witziger Bericht mit tollen Fotos! Vielen Dank auch für die netten Worte über unsere Daumenkinos ÖD und Ja, aber… die Zuckermonster.

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    @Bigii: Mich würde interessieren, ob das mit den Brüsten und dem Ramsch Standard bei sowas ist – ich war ja vorher noch nie bei einer Comic Con. Weißt du da was?

    @Wolf&Moana: Schön, dass ihr euch meldet! Bin immer noch ganz angetan von Daumenkino und Zuckermonster, die brauchen eigentlich einen eigenen Blogeintrag :-)

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