Viennale’12: THE ARTIST IS PRESENT

Im Kino hinter mir sitzen hippe Menschen (ich nenne sie „Artcrowd“), die über Vernissagen sprechen und vor Beginn des Films Polaroidfotos von sich machen. Mit einiger Verspätung geht es los, aber vor dem Film kommt sie auf die Bühne: Marina Abramovic, Performancekünstlerin und offenbar Idol vieler Menschen, die im ausverkauften Gartenbaukino sitzen. Auf der Bühne steht sie da, die Arme an der Seite, die Handflächen dem Publikum zugewandt, als würde sie die Energie des Raums aufnehmen. Es hat etwas von einem Ritual.

Marina Abramovic @Gartenbaukino, 26.10.2012, ©Ines Häufler

Marina Abramovic @Gartenbaukino, 26.10.2012, ©Ines Häufler

Energie und Rituale, diese Worte werden auch im Film noch öfter vorkommen, und wie ich sie jetzt hinschreibe, kommen sie mir banal und esoterisch vor, aber so sind sie in dem Fall nicht gemeint. Der Film mäandert um Abramovics große Ausstellung im MoMa aus dem Jahr 2010, wo sie neben einem Reenactment alter Performances durch junge Künstler auch selbst eine Performance gemacht hat. Für „The Artist is present“ ist sie täglich sieben Stunden lang in einem Raum gesessen und hat bewegungslos diejenigen angeschaut, die ihr gegenüber saßen. Und das konnte jeder sein, die Dauer war auch jedem überlassen. Drei Monate ging das so, sechs Tage die Woche.

Die Dokumentation dieser Performance waren auch die Stellen im Film, die mich sehr berührt haben. Menschen, die zu weinen beginnen, manche lächeln, manchmal weint auch Marina Abramovic, und vor allem scheint sie eines zu sein: präsent. Und das klingt jetzt schon wieder so esoterisch, aber Scheiß drauf.

Daneben bekommt man noch die Historie ihrer Arbeit ein wenig mit, dann natürlich ihre Beziehung zu Ulay, ihre Vorbereitung auf die Ausstellung, und das Thema, das sich immer durchzieht: Wie stellt man eine wirkliche Beziehung her, zu sich, und zu seiner Umwelt? Deswegen gefällt mir diese Performance auch so, weil sie so simpel ist: Zwei Fremde begegnen sich und schauen sich in die Augen. Das wars. Beeindruckend.

Nach dem Film werden um mich herum (und mich eingeschlossen) die Tränen getrocknet – ja, ich bin halt nah am Wasser gebaut, und wenn Menschen auf der Leinwand berührt werden, springt das schnell auf mich über – gibt es Standing Ovations, und das finde ich wiederum etwas merkwürdig, aber ich kenne mich im kommerziellen Kunstbetrieb ja nicht so aus. Offenbar ist das einfach so, wenn eine Künstlerin von diesem Rang auf ihre Fans trifft.

Das Thema „Rockstar“ und „Groupies“ schneidet der Film übrigens auch einmal kurz an, und das finde ich wichtig, denn das befremdete mich beim Publikumsgespräch: Nicht nur die Standing Ovations, sondern die Zustimmung zu allem was sie sagte. Aber das wäre vermutlich auch nicht anders, wenn David Lynch vor seinen Fans im ausverkauften Gartenbaukino über die Filmbranche spricht und 750 Leute nicken und applaudieren zu jedem Statement. Menschen sind eben so, wenn Idole und ihre Anhänger aufeinandertreffen.

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