Das ist Una, der Geist des alten Jahres. Bald wird sie dort sein, wo die Geister aller vergangenen Jahre leben. Man möchte meinen, dass es da inzwischen etwas eng wird, aber das stimmt nicht. Warum das so ist, weiß Una auch nicht. Aber man muss ja nicht alles verstehen. Das ist übrigens eine der Sachen, die sie in den letzten Monaten gelernt hat.
Una erinnert sich noch genau an den Geruch des frischen Jahres. Nein, es riecht nicht nach verbrannten Böllern. Es hat nach Neubeginn gerochen. Danach, was die Menschen spüren, bevor es zu schneien beginnt. Wenn sie ihre Nasen in die kalte Luft strecken, tief einatmen, und dann mit einem wissenden Blick sagen „Es riecht nach Schnee“. Una findet, dass das neue Jahr nach Erwartung riecht, mit ein wenig Vorfreude darin und ein bisschen Hoffnung.
Jetzt denkt Una daran, wie gut sich die ersten Monate angefühlt haben. Jeden Tag neue Orte und neue Menschen, das war sehr aufregend – eine große Entdeckungsreise. Bis Una herausgefunden hat, wie sich Erschöpfung anfühlt. Da ist sie dann weniger schnell gereist und auch ein paar Mal stehen geblieben, damit sie sich von der warmen Sonne durchleuchten lassen kann.
In den letzten Monaten ist Una langsamer geworden, und stiller. Sie hat jetzt die Berge für sich entdeckt. Besonders gern mag sie den Nebel. Wie er kommt, sich verändert und dann wieder verschwunden ist. Una merkt, dass sie mit dem Nebel einiges gemeinsam hat. Das findet sie schön.
Was hüpft da durch die Luft? Una sieht nicht mehr so gut wie früher. Aber die Bewegung erinnert sie an etwas. An etwas von ganz früher. Genau, das muss das Neue Jahr sein. Una richtet sich auf und will es rufen. Sie muss dem Neuen Jahr von ihren Erlebnissen erzählen. Aber nein. Es ist besser, das Neue Jahr entdeckt die Welt und ihre Menschen selbst. Damit es seine eigenen Erinnerungen sammeln kann.
Una sieht sich noch einmal die Landschaft an. Sie lehnt sich zurück. „Ich glaube, es riecht nach Schnee“, sagt sie, und schließt sie Augen.
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schön
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Dankeschön!