so ein theater

mein letzter job als regieassistentin an einem theater ist jetzt mehr als zehn jahre her. danach wollte ich nicht mehr und bekam depressive verstimmungen, und rückblickend würde ich den grund dafür wohl „burnout“ nennen.

„let’s celebrate tonight ‚cause tomorrow you give your life to theatre“ hatte jemand am abend in der runde vor dem ersten probentermin von „dantons tod“ bei den salzburger festspielen in der regie von robert wilson gesagt, wo ich hospitantin war.

in den paar theaterjahren habe ich tatsächlich ausschließlich für die bühne gelebt. jeder verpatzte lichtwechsel in einer aufführung in der ich abendspielleitung hatte war eine persönliche katastrophe. die möbler und die requisiteure können sich nicht einigen wer den kleinen hocker beim umbau anfasst. der ins stück eingebaute korrepetitor für die heurigenszene von „geschichten aus dem wienerwald“ schickt einen nicht instruierten ersatzmann zu den proben. am schluss meines letzten engagements ist der regisseur ein energievampir und lässt den schauspieler 30 mal aus der gasse auftreten und seinen ersten satz sagen, und am fünften probentag schießen mir die erschöpfungstränen nach den ersten fünf probenminuten des stücks in die augen nur weil ich neben dem regisseur sitzen muss (pikanterweise handelt es sich um „die zofen“ von genet wo es um abhängigkeitverhältnisse geht). ich ziehe nach mitternacht einen kleinen handkarren mit probenrequisiten hinter mir her weil wir von der probenbühne ins haupthaus wechseln und das theater so klein ist das dieser job an mir hängen bleibt. es haben so wenige zuschauer karten reserviert dass wir die vorstellung in der kleinen kellerbühne absagen müssen und der regisseur meint „die leute verstehen eben die inszenierung nicht“. schauspieler verschwinden nach einem streit mit der regie für stunden und sind unauffindbar. und so weiter, eine ansammlung von existentiellen schicksalsschlägen.

hätte mir damals jemand gesagt „spinnst du? das ist doch nur theater“, ich hätte mich empört und wäre wortlos gegangen. gesünder wäre es aber auf alle fälle gewesen den satz ernst zu nehmen. jedenfalls steht viel von dem was ich damals nur unbewusst empfunden habe in diesem interview mit der theaterregisseurin karin beier.

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eigentlich ist der beruf den ich jetzt habe noch absurder: ich beschäftige mich stundenlang mit fiktiven figuren als wären sie real, ich ringe um ihre konflikte, kämpfe mit sendeplätzen, redaktionen, zuvielen meinungen die an einem drehbuch zerren. in den stunden in denen ich arbeite gibte es weniges das ich ernster nehme als diese quasi reale fiktion. aber ich kann viel leichter aussteigen und habe ein echtes leben nebenbei. Ich bin einerseits dem elfenbeinturm entkommen und habe andererseits spaß wenn ich in ihm sitze. vielleicht nennt man das abgrenzung, für mich heißt es: alles ist gut. und schön langsam bekomme ich sogar wieder lust auf theater.

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  1. Pingback: » theater affectionista

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