Kreatives Schreiben: Weekend Writing #94

Irgendwas am neuen Inspirationsfoto erinnert mich an die momentane Wetterlage in Wien – es ist heiß und stickig. Außerdem ist das Foto ein Beispiel dafür, dass es nicht immer die perfekte Bildkomposition ist, die es zu einem guten werden lässt. Sondern der richtige Moment, dazu die im Bild eingefangene Bewegung, und in dem Fall für mich auch noch die extreme Körperlichkeit, die mir bei diesem Foto ins Auge stechen. Es stammt von Helen Levitt – hier könnt ihr mehr über ihr Leben erfahren, und hier mehr Fotos von ihr anschauen. Aber jetzt gilt wie immer: Das schwüle Wetter ist keine Ausrede dafür, keine Geschichten zu erfinden. Viel Spaß beim Schreiben!

Für alle, die zum ersten Mal dabei sind: Es geht darum, dass ich hier immer am Wochenende ein Foto als Schreibinspiration für eine kurze Geschichte poste. Ob ihr euch dabei an die „Regeln“ haltet, die unter dem Bild stehen, oder nicht, ist völlig euch überlassen. Es gibt auch nichts zu gewinnen, außer der Freude am Schreiben. Wenn ihr wollt, könnt ihr dann eure Texte einfach hier in den Kommentaren posten, gerne auch anonym. Ihr könnt sie aber auch einfach nur für euch in ein Notizbuch schreiben. Ich freue mich übrigens nicht nur, wenn ihr mitmacht, sondern auch wenn ihr es (im Netz) weitererzählt. Je mehr Menschen mitmachen, desto besser!

Foto: Helen Levitt

Foto: Helen Levitt

Hier kommt die Anleitung:

  1. Stell dir einen Timer (Küchenuhr, Handywecker…) auf 5 Minuten. Bereit?
  2. Schau dir das Foto 5 Minuten lang genau an. Die Menschen, die Körperhaltung, die Gegenstände. Was ist im Zentrum, was bzw. wer im Hinter- oder Vordergrund? Entdecke die Details, studiere die Gesichtsausdrücke. Was könnte die Geschichte zum Foto sein?
    Pling! Die 5 Minuten sind um.
  3. Stelle jetzt den Timer auf 15 Minuten. Los gehts mit dem Schreiben!
  4. Schreibe eine kurze Geschichte. Da die Zeit begrenzt ist, eignen sich Momentaufnahmen, Vignetten, Augenblicke, Kurzgeschichten, Gedankenströme besser als lange, epische, romanhafte Ansätze. Und denk nicht zu lange nach! Es geht hier weniger um den Kopf als um die Intuition.
  5. Pling! Fertig.

Achtung: Es geht hier nicht um Perfektion, sondern um den Spaß am Schreiben. Deshalb halte ich mich nach den 15 Minuten auch nur sehr kurz mit dem Umschreiben auf. Wenn ich selbst mitmache, korrigiere ich einige Formulierungen, für die mir ad hoc beim Durchlesen doch etwas besseres einfällt, aber im Großen und Ganzen lasse ich die Geschichten so, wie sie beim ersten Wurf entstehen und stelle sie eher „roh“ ins Blog oder lege sie in meine Textschublade.

Euch fällt nichts ein? Hier einige Fragen, die eurer Fantasie auf die Sprünge helfen können:

  • In welcher Beziehung stehen die Personen zueinander?
  • Wer hat das Foto gemacht, in welcher Beziehung steht die Person zu denen auf dem Foto?
  • Erzählt jemand etwas über die Personen auf dem Bild, oder ist eine Person vom Foto der Erzähler?
  • Wer ist die Hauptfigur, wie heißt er/sie, welchen Background hat er/sie?
  • Welche Erwartungen haben die Personen, was hoffen sie, was befürchten sie? Was sind ihre Lebensträume und Ziele? Was haben sie bereits erlebt?
  • Was ist der Konflikt, das Dilemma, das die Person gerade hat?
  • Was ist vor der Aufnahme passiert, und was passiert, nachdem der Auslöser gedrückt wurde?
  • Was oder wer steht außerhalb des Bildausschnitts?
  • Wie ist die Stimmung der Personen? Ändert sie sich in der kurzen Geschichte?
  • Wie riecht es, ist es warm oder kalt? Friert die Person, ist ihr heiß?

Wenn ihr eure Geschichte im Internet (z.B. auf eurem Blog) postet, hinterlasst doch den Link hier in den Kommentaren. oder kopiert den Text in den Kommentar, gerne auch unter einem Pseudonym. Ich freue mich natürlich auch, wenn ihr diesen Artikel auf Facebook und Twitter teilt – es wäre schön, wenn so viele wie möglich mitmachen und diese Form des Weekend Writing ein Fixpunkt im kreativen Internet wird. Aber das überlasse ich der Zukunft. Jetzt geht es los – viel Spaß beim Schreiben!

Für alle WienerInnen: Ich gehe einmal im Monat zu einem Creative Writing Abend bei Barbara Stieff, wo wir uns im informellen Rahmen zum Schreiben treffen. Dabei steht das Ausprobieren und der spielerische Umgang mit Sprache im Mittelpunkt. Also kein Druck, es geht um den Spaß und den Prozess des Schreibens, wie bei dieser Übung. Wer mitmachen möchte, schreibt mir einfach eine Mail, ich leite es dann an Barbara weiter.

Für alle, die die Challenge im Internet teilen wollen: Unser Hashtag lautet #weekendwriting. Er wird bereits von AutorInnen im Netz benutzt, da passt unsere Übung gut dazu.

 

Euch gefällt, was ich hier auf meinem Blog poste? Das freut mich! Ihr könnt gerne mal hier im Blog einen Kommentar hinterlassen, oder mir ein paar freundliche Worte per E-Mail schicken. Außerdem freue ich mich auch sehr über ein Buch von meinem Wunschzettel. Das kann ich dann alles lesen, wenn einmal einer dieser Momente um die Ecke kommt, in denen meine Motivation und Inspiration kurz Pause machen. Danke euch fürs Lesen und Mitreden und Dasein! <3

Comments 3

  1. mammà non gridare tanto nel telephono ch´è una donna chi fà una photo di noi. He, da fotografiert uns eine, so eine Blonde. Mamma telefoniert mit Papa nach Dortmund. Papa holte Gianna und Mamma dann nach Deutschland, weil er sich depressiv fühlte nach all den Jahren alleine molchen. Ich war 16 und weigerte mich mitzugehen, blieb bei Tante Anna.

    Ich weiss eigentlich nicht, warum die brigada rossa nicht auch mich rekrutiert hatte. Meine beste Freundin haben sie rekrutiert, aber ich habe es erst erfahren, als die Zeitungen ihre Verhaftung mitteilten. Sie hat ein perfektes Doppelleben geführt. Ich fiel aus allen Wolken. Nach paar Monaten konnte ich sie im Gefängnis besuchen. Sie bekam 12 Jahre. Wir waren 18. Ich hängte mein Studium an den Nagel, weil mich die Frage beschäftigte, warum die brigada rossa mich nicht rekrutiert hatte. Ich wäre geeignet gewesen.

    Ich wollte die Mechanismen begreifen lernen.

    Dann begriff ich: in einem Punkt wäre ich ungeeignet gewesen: ich war widerspenstig, nicht Befehlsempfängerin genug. Heute bin ich Terrorspezialistin. Wir sind nicht genau genug, wir fragen nicht genau genug. Bei der Brigada rossa ging es nie um die Grundsätze. Die Grundsätze waren Dogmen und unangreifbar. Es ging immer nur um die Beschaffung von Geld für Waffen.

    Meine Mutter hat damals geputzt in Dortmund, privat.

    Sie ist schon lange tot. 24, Juli 1991.
    Mein Vater lebt auch nicht mehr. Meine Schwester hat eine Familie gegründet. Ich habe eine Tochter. Lebe alleine. Mir fehlt es an nichts. Ich publiziere, halte Vorträge in der ganzen Welt.

    Lange wurden die Schusslöcher als Mahnmal stehen gelassen. Daneben die leere Telefonkabine. Ohne Telephon nur die Kabine. Ich höre die Stimme meine Mamma, dunkel, rauh. Ihre grünen Augen wie Smaragde. Aus meinen Händen schwindet die Kraft. Wie heisses Wasser, das aus den Fingerspitzen raus rinnt.

  2. Post
    Author

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.