Ines will’s wissen: Wie die Kurzfilme in Schweizer Fernsehen kommen

Prolog: Mir ist das Thema „Kurzfilm“ ein Anliegen. Und besonders die Ausstrahlung von Kurzfilmen im Fernsehen. Kurzfilme sind in meinen Augen eine der dramaturgischen Königsdisziplinen, und gleichzeitig die ersten Visitenkarten des Filmnachwuchses. Leider laufen sie oft nur auf einigen Filmfestivals und verschwinden dann. Einige landen bei der großartigen Kinoinitiativ Cinema Next. Man findet sie aber kaum im Fernsehen, selten auf VOD Plattformen (Ausnahme in Österreich: Ausgewählte Kurzfilme aus dem Sixpack Filmverleih auf Flimmit), und Kurzfilmscreenings und -DVDs von Filmhochschulen sind meistens nur der Filmbranche zugänglich. Warum ich euch das erzähle? Lest selbst.

Neulich Abend bleibe ich beim Zappen beim Zweiten Schweizer Fernsehen hängen: Dort läuft ein Kurzfilm. Ich schaue auf die Uhr. Nein, es ist nicht weit nach Mitternacht, sondern kurz vor 22 Uhr, der Hauptabendfilm ist gerade zu Ende. Jetzt bin ich irritiert. Kurzfilm, das ist doch dieses Dings, das man in den öffentlich-rechtlichen Sendern fast immer irgendwann weit nach 23 Uhr programmiert. Oder im Paket zwischen Mitternacht und 5 Uhr früh, genau einmal im Jahr, das heißt dann „Die lange Nacht der kurzen Filme“. Ich gehe online, klicke mich durch das Fernsehprogramm von SRF2, und sehe, dass dort dienstags bis freitags immer nach dem Hauptfilm ein (internationaler) Kurzfilm programmiert ist, außer es läuft ein Sportevent.

Jetzt bin ich vollkommen verwirrt. Wie kann das sein, dass ausgerechnet der kommerziellere der öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehkanäle Kurzfilme ausstrahlt, und zwar direkt nach der Primetime? Und es kommt noch besser: Das Schweizer Fernsehen beteiligt sich auch an der Produktion von Kurzfilmen. Gut, das gibt es bei uns hier in Österreich auch, über den Innovationstopf des ORF-Film-Fernseh-Abkommens. Aber im Gegensatz zum SRF bietet der ORF den heimischen Kurzfilmen zusätzlich keinen Platz auf seiner Website, wie es beim Schweizer Fernsehen der Fall ist.

Wait – what?! Kurzfilm im SRF: Ines will’s wissen

Frei nach dem Motto „Ines will’s wissen“ aktiviere ich am nächsten Tag meinen Kontakt zum Schweizer Fernsehen und hake nach. Ich lande bei Eva Schweizer, die für die Programmplanung zuständig ist (und bedanke mich jetzt schon mal, dass sie mir meine vielen Fragen so ausführlich per Mail beantwortet hat). Also los, lasst uns das Rätsel ergründen, warum das Schweizer Fernsehen den Kurzfilmen so eine sichtbare Plattform gibt!

Zuerst zu den Voraussetzungen: Wie in Österreich gibt es auch in der Schweiz ein Abkommen zwischen der Schweizer Filmbranche und der SRG (Schweizer Rundfunkgesellschaft), das Koproduktionen zwischen den Filmproduktionsfirmen und regelt. Und genauso wie bei uns ist dieser „Handshake“ eine wichtige Säule der Schweizer Filmförderung. Die Einreichung läuft ähnlich ab wie bei anderen Filmförderungen: Die Schweizer Produktionsfirma muss Drehbuch, Auswertungskonzept, Biografien, eine detaillierte Kalkulation usw. einreichen und bekommt nach zwei Monaten Bescheid, ob man Fördergeld bekommt. Details zum sogenannten Pacté findet ihr hier.

Und welche Kurzfilme werden gefördert? Vor allem Bachelor- und Diplomfilme. Ihr seht schon, es geht dabei ganz stark darum, den heimischen Filmnachwuchsfilm zu unterstützen. Spannend finde ich aber, dass zusätzlich auch internationale Kurzfilme eingekauft werden. Das sind großteils die, über die ich beim Fernsehen abends auf SRF2 gestolpert bin. Aber Kurzfilme im SRF gab es schon 1993, also zu Zeiten, wo es den Sender SRF2 noch nicht einmal unter diesem Namen gab.

Zeigt her eure Filme! Wo man die Kurzfilme im SRF zu sehen bekommt

Und schon wieder eine Überraschung: Es gibt für Kurzfilme gleich mehrere Slots auf verschiedenen Kanälen. Schon 1995 diente der „Delikatessen“-Sendeplatz für Arthousefilme Donnerstag spät nachts dazu, einmal pro Jahr Kurzfilmprogramme zu zeigen, manchmal im Umfeld von nationalen Kurzfilmfestivals. Seit 2013 gibt es außerdem einen eigenen, früheren Slot direkt nach der Primetime, und zwar zum Internationalen Tag des Kurzfilms, wo ca. 20 internationale und Schweizer Kurzfilme gezeigt werden. Dazu kommen wie anfangs erwähnt Ausstrahlungen von Kurzfilmen nach dem Primetimefilm, und noch ein Slot für Schweizer Erstausstrahlungen. Und dazu noch ein Webauftritt.

Apropos internationale Kurzfilme: Die werden eingekauft, und man sucht dabei nach Filmen auf Deutsch, oder nach solchen mit wenig Dialog. Fremdsprachige Filme werden einfach untertitelt. Bei Genres und Längen will man eine große Bandbreite haben, und man lizenziert auch gleich für zwei bis fünf Jahre, damit man die Filme über die Jahre wiederholen kann. 2015 wurden 27 internationale und 4 Schweizer Filme eingekauft. Ausgestrahlt wurden natürlich viel mehr, und zwar 90 internationale und 20 nationale Kurzfilme, dazu kamen 60(!) Kurzfilme, die in den letzten Jahren im Rahmen von Pacté vom SRF koproduziert wurden. Das ist eine ganze Menge, finde ich.

Und warum habt ihr’s erfunden?

Was ich am besten finde: Auf meine Frage, was die Intention war, auf SRF nach dem Hauptabendfilm Kurzfilme zu zeigen, bekam ich eine erfrischend ehrliche Antwort: Man suchte damals „Einsatzfilme“. Das sind Programme, die man in den variablen Lücken z.B. nach dem Hauptfilm zeigt, bevor die nächste Sendung mit einer fixen Beginnzeit anfängt. Ganz früher sendete man in einem solchen Fall einfach Cat Content (Oh hi, liebe Kätzchen vom Hessischen Rundfunk!), aber beim SRF kam man auf die Idee, in diesen „Programmlücken“ Kurzfilme zu senden – quasi aus der Not eine Tugend machen, was in diesem Fall ein sehr lässiges Resultat zur Folge hatte.

Für die Kurzfilme, die der SRF selbst koproduziert, gibt es übrigens noch einen weiteren Sendeplatz, und zwar dreimal pro Jahr in der Sendung ch:filmszene auf SRF1, mit Wiederholungen nach dem Hauptabend auf SRF2. Ach ja, und dann wäre da noch die Unterseite „Trigger – Kurzfilm der Woche“ auf der SRF Website, wo man wechselnde Kurzfilme online ansehen kann.

Sagen wir es gemeinsam: Der SRF rockt, was den Kurzfilm betrifft. Ja, klar, es wäre super, wenn es noch mehr Sendeplätze für Kurzfilme vor 22 Uhr gäbe. Und niemand weiß, wie lange Kurzfilme im SRF noch so programmiert werden. Aber hey – aus meiner österreichischen Sicht ist das Jammern auf hohem Niveau.

Nochmals ein herzliches Dankeschön von mir aus Wien nach Zürich an Eva Schweizer von der Programmplanung des SRF!

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