Gesehen: Der Knochenmann

Jetzt ist schon wieder was passiert. Nämlich im Kino. Einen guten österreichischen Film habe ich gesehen. Aber von vorne: ich gehe ja vorwiegend bei Festivals ins Kino oder in die kleineren (englischsprachigen) Lichtspielhäuser. Und jetzt klarerweise: Totalschock. Weil wenn man nämlich am Kinodienstag zur Primetime in ein büronahes Cineplexx geht, um sich den Knochenmann anzuschauen, dann erlebt man einen veritablen Kulturschock.

Ich saß also in einem riesigen Saal voller zuspätkommender Menschen, neben mir ein stinkender Nachofresser, der die erste Hälfte mit der Nachoschüssel knisterte und sich danach vor Lachen an unmöglichsten Stellen (also: dauernd) so sehr schüttelte, dass die ganze Stuhlreihe bebte. Ich war sehr abgelenkt, bis der Film im letzten Drittel dermaßen die Schraube andreht, dass ich selbst den Nachofresser ausblenden konnte.

Jetzt aber: Der Film. Wolfgang Murnberger ist mit seiner dritten Wolf Haas Verfilmung etwas sehr Herausragendes gelungen. Und Josef Hader ist jetzt wirklich ein Charakterschauspieler, es ist eine Freude ihm zuzusehen. Überhaupt – die Besetzung: Bierbichler, Minichmayr, Erceg, Gryllus – alle sehr gut. Der Film ist geradliniger als Silentium, in den sich noch seltsame Wechsel im visuellen Tonfall eingeschlichen hatten. Der Knochenmann kommt böser, geerdeter, ungemütlicher daher. Natürlich muss man lachen. Aber sehr oft kann man es nicht mehr.

Die Geschichte selbst ist gut gebaut, mit einem langen Höhepunkt bei einem Maskenball, der seinesgleichen sucht. Und es geht dieses mal ja auch um die Liebe. Wobei ich gestehen muss: Die Minichmayr hat für mich so etwas latent Gefährliches an sich, dass ich es dem Brenner nicht wirklich gewünscht habe, dass das so wirklich was wird, mit der Liebe.

Aber ob das jetzt gut oder schlecht adaptiert ist kann ich nicht sagen, denn erstaunlicherweise erinnere ich mich fast nicht mehr an den Roman. Aber heute Abend kann ich ja nachlesen.

Der Film jedenfalls hinterlässt einen bleibenden Eindruck an Abgründigkeit, Unerhörtheit und guter Unterhaltung. Nur Backhendln mag man sich danach auf keinen Fall mehr einverleiben. Bei mir gibt es heute lieber Tofu mit Gemüse. Zur Sicherheit.

(Hier noch der Link zur FM4 Kritik von Pia Reisinger mit einem Verweis auf diese Diskussion über den österreichischen Film an sich, der ich auch viel abgewinnen kann.)

Comments 3

  1. Ein toller Film, fürwahr. Und in meiner Wahrnehmung (als Deutscher, genauer: Rheinländer) ein sehr österreichischer dazu. Unerhörtheit ist ein sehr treffendes (und: schönes!) Wort in diesem Zusammenhang. Diese Melange aus Rabenschwärze, Gnadenlosigkeit und lakonischer Komik ist allein schon einzigartig und hervorragend. Dass der Film es dann aber auch noch schafft, sich seinen liebevollen Blick auf die Menschen zu bewahren, macht ihn in meinen Augen wahrhaft groß.

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    Ja, es ist fürwahr sehr österreichisch. Ich finde eben auch, dass dieser Film ALLES hat: schwarzen Humor, Liebe zu den Figuren, Spannung, Gewalt, Ekel, Liebe zwischen den Figuren… Und zwar in einer wirklich gelungenen Mischung.

    Leider haben meines Erachtens viele österreichische Filme maximal ein bis zwei dieser Zuatetn. Also nur Humor, aber ohne gute Geschichte. Oder nur Gnadenlosigkeit, aber keine Emotionen und keine Spannungsbögen. Besonders letzteres kommt oft vor. Schade eigentlich. Ich will alles! Und davon nur das Beste! Schließlich zahle ich Geld dafür und ertrage stinkende Nachofresser.

  3. „Leider haben meines Erachtens viele österreichische Filme maximal ein bis zwei dieser Zutaten“

    DAS allerdings ist ein Phänomen, das beileibe nicht auf Österreich beschränkt ist.

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