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die tage sind dieser tage so voll mit geschichten.

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meine eltern schreiben mir in regelmäßigen abständen briefe. im letzten schreibt mein vater „wir verfolgen die katastrophe in japan am tv. der zauberlehrling hat das codewort vergessen – und der meister kommt nicht…“. ich lese den satz mehrmals.

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ich habe letzten sommer mit meinem kurzfilm eine carte blanche in der wienstation gewonnen. am samstag veranstalte ich dort eine lesung, aber der betreiber des kunstraums hat mir den schlüssel schon am montag gegeben. seit gestern nachmittag sitze ich daher dort mit freunden und arbeite an kreativprojekten. im anschluss haben wir heute das kunstprojekt „zeitgeschichten“ in der brunnenpassage besucht. schülerInnen mit migrationshintergrund die dafür ein stipenium bekommen haben führen uns zu verschiedenen menschen in der gegend um den brunnenmarkt, die uns geschichten erzählen. der erste ist besitzer eines schreibwarengeschäftes und erzählt von einer reise nach afghanistan die viele jahre her ist, und wie schwierig es damals war trotz visums und ohne schmiergeld über die grenze zu kommen. dann erzählt ein türkischer junge wie er mit 11 beim versuch erwischt wurde alkohol zu trinken, aber die mutter ihn und die geschwister nicht dem vater verraten hat der gerade von einer pilgerreise zurückgekehrt war. die nächste geschichte erzählt ein mann aus peru, der in den 1980er jahren wegen nach einem besuch in nicaragua beinahe nicht mehr nach wien zurückgekommen wäre. dann gehen wir in eine wohnung und hören eine unglaubliche liebesgeschichte, in der es 37 jahre gedauert hat bis sich zwei seelenverwandte wiedergefunden haben. und am ende erzählt eine frau ende 20 wie sie von ihrem vater sexuell missbraucht wurde.

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all diese geschichten sind aus dem echten leben. und ich frage mich in dem augenblick warum ich so viele stunden in meinem beruf aufwände um fiktionen zu erzählen wenn die wirklichen geschichten doch ohnehin bereits erlebt wurden und ihre erzählungen viel intensiver sind als die meisten drehbücher.

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wir gehen essen und sind müde. bei mir liegt es an einem hektischen tag, noch mehr aber an diesen geschichten die sich in kopf und herz abgesetzt haben. das leben ist so prall und vielfältig, ich vergesse das manchmal wenn ich zu lange und zu sehr auf mich zurückfalle.

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die zeitgeschichten kann man nochmals nächsten donnerstag in der brunnenpassage erleben. vorherige anmeldung erforderlich, es lohnt sich wirklich sehr.

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  1. Pingback: try to be mensch // affectionista

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