das theater

ich habe den schlingensief gesehen. genauer: seine „ready made oper“ MEA CULPA an der burg. alle haben im vorfeld gesagt, es würde großartig werden, sie hätten selbst geweint, quasi offenbarung.

ich habe nicht geweint. einzelne bilder fand ich sehr wohl bewegend, die wenigen wahrhaftigen momente zum beispiel in denen sich joachim meyerhoff als schlingensiefs alter ego mit seinem zustand abmühte, oft gemeinsam mit fritzi haberlandt als künstlergattin und muse. und der kurze moment in dem eine darstellerin an einer gogo-stange tanzend eine bach kantate sang (mein hang zur klärenden wirkung der barockmusik ist ja überhaupt so eine sache). und die alte sängerin am ende mit der wagner-arie.

aber das, worum es offenbar im wesentlichen ging, also das emotionale thema der ent-täuschung angesichts des sterbens und des todes, das ging beinahe spurlos an mir vorüber. die satirische beleuchtung der leeren versprechungen esoterischer wellness institutionen – das war mir bereits vorher klar. die auseinandersetzung mit dem katholischen schuldkomplex samt bestrafungsmentalität – auch das habe ich schon lange mit mir ausgemacht. und schließlich der persönliche auftritt schlingensiefs, in dem er dem publikum zuredete, man möge sich den sterbenden nicht verschließen sondern ihnenzuhören, sie ihre angst ausbreiten lassen, nicht vor ihnen davonrennen – auch damit habe ich mich bereits auseinandergesetzt, und übrigens auch kürzlich sehr intensiv mit meiner eigenen panik vor dem sterben.

nicht, dass ich jetzt abgeklärt wäre und schon alles wüsste, weit gefehlt. aber dieses kindliche erstaunen über die tatsachen, dass uns die wellnessindurstrie falsche versprechungen macht, dass die katholische kirche ganze kulturkreise mit ihrer verinnerlichten schuld-und-erlösungs-thematik über die jahrhunderte infiltriert hat, und dass man auf menschliche weise mit sterbenden umgehen soll, dieses kindliche erstaunen kann ich eben gar nicht nachvollziehen.

was war mir also neu? die form der darbietung? nein. vielleicht war ich in den 1990er jahren ja auch zu viel an diversen theatern und galerien tätig als dass mich der diskurs über bürgerlichkeit vs. avantgarde vs. kunstlesarten vs. wasweißich noch anrühren könnte. aber neue erkenntnisse und emotionale erlebnisse hatte ich bei MEA CULPA auch diesbezüglich nicht.

was mich aber jetzt interessieren würde: worin liegt für die, die so schwärmen, die faszination? was genau hat sie so angerührt? ich kann es im augenblick gerade nicht so nachvollziehen.

p.s.: ich bin im übrigen sehr berührbar. manchmal schafft es ein film oder sogar ein theaterstück, mich auf einfache weise anzurühren, an punkten, die ich für abgeschlossen hielt, oder an weißen flecken auf meiner inneren landkarte. oder an wunden punkten, die ich schon kenne. ich weine eigentlich ziemlich schnell, wenn mich etwas berührt, ich bin da grenzenlos emotional. deswegen erstaunt mich das ja alles jetzt so.

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