Warum sich gratis arbeiten nicht auszahlt

Ich habe gerade einen Artikel mit der schönen Überschrift „Wer fürs Schreiben bezahlt werden will, sollte es nicht umsonst tun“ entdeckt und beim Lesen innerlich heftig genickt.

Anlass war offenbar das Geschäftsmodell der deutschen Version der Huffington Post, bei dem die JournalistInnen nicht bezahlt werden, weil sie im Gegenzug Klicks, Anerkennung, Bekanntheit etc. durch die Veröffentlichung auf der Website bekommen. Jannis Kucharz meint in seinem Artikel dazu:

Wenn ich vom Schreiben leben möchte und das als mein primäres Geschäftsmodell begreife, das wertvollste was ich zu bieten habe, dann sollte ich das nicht umsonst hergeben.

Ja, ja und nochmals ja.

Hier ein Beispiel: Ich habe mich neulich mit einer Bekannten unterhalten, die eine erfolgreiche Cutterin ist. Wir sprachen darüber, wie man damit umgeht, wenn wer aus unserer kleinen Filmbrache, wo quasi jeder jeden kennt, auf einen zukommt und sagt „Ich habe hier ein Drehbuch/einen Rohschnitt, kannst du bitte mal kurz draufschauen und mir Feedback geben?“. Gemeint ist dabei immer „Kannst du bitte GRATIS draufschauen“.

Die Cutterin konnte zuerst gar nicht verstehen, wieso ich das nicht ohne Bezahlung mache. Der große Unterschied zwischen ihr und mir ist aber, dass sie ihr Geld mit dem Editieren von Filmen verdient, und nicht primär mit Schnittberatung. Ich hingegen verdiene mein Geld fast ausschließlich mit dramaturgischer Beratung. Diese Dienstleistung, die mindestens 80% meines Einkommens ausmacht, soll ich plötzlich gratis anbieten? Ich weiß ja nicht, wie andere Menschen unternehmerisch planen und handeln, aber das liegt meines Erachtens auf der Hand, dass sich so kein Lebensunterhalt finanzieren lässt. Mit „Werbegeschenk“ lässt sich das in meinen Augen auch nicht argumentieren, denn es geht ja um die Dienstleistung selbst. Und nebenbei stellt sich auch die Frage, wieso der/die eine meine professionelle Dienstleistung gratis bekommen soll, und jemand anderer nicht.

Wobei ich z.B. bei Low Budget Kurzfilmen von Filmhochschulen durchaus mit dem Preis runtergehe. Ich kenne auch Leute in der Postproduktion, die das machen. Aber professionelle Arbeit verschenken? Dafür fehlt mir immer noch die Argumentation.

Der Joker hat das übrigens auch schon immer gewusst: „If you are good at something, never do it for free.“ ;-)

(Danke an Jonas, der dieses Video in den Kommentaren drüben beim Artikel im Netzfeuilleton gepostet hat.)

Comments 4

  1. Ich sehe es ähnlich, mit einer kleinen Abweichung: Wenn ich von Bekannten (nicht engen Freunden, dazu später mehr) gefragt werde, ob ich etwas (kostenlos) für sie zeichnen oder designen kann, nenne ich ihnen meinen Stundensatz bzw. was ich normalerweise für dieses Projekt veranschlagen würde. Von einigen kommt dann zurück „Soviel Geld kann ich dafür nicht ausgeben, aber ich könnte Dir [hier ein wirklich adäquates Tauschangebot einsetzen] dafür anbieten.“ Wenn ich die Zeit gerade übrig habe, lasse ich mich in der Regel darauf ein. Wenn sie etwas anbieten, das ich leider so gar nicht gebrauchen kann, aber was dem Gegenwert meiner Arbeit entspricht, arbeite ich auch mal kostenlos – wenn mich das Projekt anspricht und ich es mir zeitlich leisten kann.

    Von manchen kommt auch „hui, du bist ja preislich ganz schön abgehoben, du brauchst doch nur eine halbe Minute, um das zu zeichnen!“. Darauf antworte ich gern mit dem berühmten Zitat von Paula Scher: „It took me a few seconds to draw it, but it took me 34 years to learn how to draw it in a few seconds“. – Und da mein Vermieter, der Bäcker und die Krankenversicherung sich leider ebenso wenig wie das Finanzamt oder alle anderen nicht in lustigen Zeichnungen bezahlen lassen, sind meine Preise so abgehoben, dass ich davon nicht nur mit Ach und Krach überleben sondern leben kann. Die meisten sehen das anschliessend ein. Falls nicht, auch gut, einen Bekannten weniger.

    Sehr selten kommt auch mal ein „das ist doch eine gute Referenz für Dich, ich erzähle allen davon!“ Worauf ich dann entgegne: „Was genau? Dass ich für lau bzw. für den halben Preis arbeite?“ Es gibt eine Handvoll Firmen, bei denen ich preislich heruntergehen würde, da ich sie gern als Referenzen hätte. Die Wäscherei Frauenglück aus Haseldorf hinterm Deich gehört nicht dazu.

    Nun zu den Freunden: Ich habe extrem überschaubare Anzahl Freunde, für die ich alles tun würde und die für mich alles tun würden. Freunde von der „Friends help you move. Real friends help you move bodies.“-Sorte. Die würden mich nie fragen, kostenlos für sie zu arbeiten und umgekehrt. Ich würde es von mir aus anbieten und umgekehrt. Nicht umsonst, aber: Priceless.

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    Ja, ja, und ja. Volle Zustimmung. Und das mit den Tauschgeschäften mache ich auch manchmal, wenn es sinnvoll ist, aber das ist sehr selten. Wenn ich ein Projekt extrem gern mag, und es ist low budget, arbeite ich auch schon mal mehr für wenig Geld. Aber gratis? Nope.

    Und was auch stimmt: Die wirklich engen Freunde fragen mich nie, ob ich was gratis mache, das machen nur diese merkwürdigen „Bekannten“.

  3. Das Problem bei No-Budget Filmen ist eben, dass diese kaum bzw. kein Geld haben und kleine Filmemacher oft auf den Rat von berufserfahrenen Kollegen angewiesen sind. Manchmal sollte man drüber nachdenken, ob es nicht sogar sinnvoll ist, es als Investition zu sehen, kleine Filmemacher zu unterstützten, vielleicht werden die ja auch mal Erfolgreich und können dann adequate Bezahlungen liefern. Dabei geht es weniger um „gratis“ arbeiten, sondern um Vertrauen in den heimischen Nachwuchs.

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    @Stefan: Ja, das kann ich durchaus nachvollziehen. Interessant finde ich aber, dass ich bei Low-Budget-Kurzfilmen oft sehe, dass für die Equipmentmiete schon (normal) bezahlt wird. Aber für die Arbeitsleistungen nicht. Wie argumentiert man das?

    „Vertrauen“ zahlt mir leider genauso wie „gratis“ keine Miete, keine Arbeitsgeräte, kein Essen. Meine Arbeit ist auch kein Hobby, das ich nebenbei mache. Manchmal entscheide ich mich trotzdem, dass ich für sehr wenig oder (ganz selten) sogar für gar kein Geld eine dramaturgische Beratung mache. Das sind dann aber meistens Freunde, deren Arbeiten ich kenne und schätze, mit Projekten, die mich inhaltlich sehr ansprechen und wo ich eine Chance auf Förderung sehe, sodass ich später rückwirkend bezahlt werde.

    Was mich aber wirklich aufregt ist, wenn mich jemand, den ich nicht kenne, anspricht und selbstverständlich voraussetzt, ich würde für das Projekt gratis arbeiten, weil ja kein Geld da ist. Und das Beleidigtsein wenn ich sage „Tut mir leid, das kann ich mir nicht leisten“ finde ich ziemlich unverschämt.

    Letztlich gehts um Wertschätzung und Respekt, und das drückt sich nun mal auch – nein, ich korrigiere mich: in unserem Kulturkreis vor allem – in Geld aus.

    Aber jeder wie er/sie mag. Ich handhabe das eben so.

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