Über die Kunst und die Technik, und warum letztere manchmal ein Hund ist.

Hallo, mein Name ist Ines, und ich liebe Museen. Und Technik liebe ich auch. Neue Apps, Technologien und Gadgets – immer nur her damit! Und wenn Museen, Kunst und Technologien zusammenkommen, bin ich natürlich die erste, die es ausprobieren will.

Weil mich das alles so interessiert, bin ich vor fast zwei Jahren zu meinem ersten Barcamp gegangen, und zwar zum StARTcamp hier in Wien. Dort habe ich Menschen kennengelernt, die sich beruflich damit beschäftigen, wie man das Digitale mit den Museen und der ganzen anderen Kunst zusammenbringt. Seitdem gehe ich mit einem geschärften Blick dafür durchs Leben, also vor allem durch die Museen.

Und dort trug sich neulich folgendes zu: Ich bin auf den letzten Drücker in eine grandiose Fotoausstellung gestolpert, und zwar in die Werke von Bruce Davidson in der Galerie Westlicht. Ich habe dort einige Bilder in natura gesehen, die ich bisher nur vom Bildschirm kannte (zum Beispiel das hier, und das). Da bin ich ein wenig in den Anhimmelungsmodus verfallen.

Irgendwann fällt mir auf, dass neben einigen Bilder ein QR-Code klebt. Ich also: Handy raus, Snapchat an (ja, Snapchat hat einen eingebauten QR-Code Reader) – und nichts passiert. Aber weil ich bei sowas ehrgeizig bin, mache ich einen Feldversuch daraus, der wie folgt abläuft:

  1. QR-Code für den Ausstellungsabschnitt

    QR-Code für den Ausstellungsabschnitt

    Ich mache noch einen Versuch mit leicht unterschiedlichen Kamerawinkeln. Ich glaube zwar nicht, dass es an meinem Handy liegt, weil es eine sehr gute Kamera hat, aber ich probiers nochmal. Es funktioniert nicht. Meine erste Analyse: Das Licht ist zu schlecht, der QR-Code ist zu klein ausgedruckt, und der Untergrund hat eine Textur, die durch die transparenten Stellen des Aufklebers mit dem Code durchscheint und ein Kontrastproblem ergibt. (siehe Foto rechts, auf dem man leider das Größenverhältnis nicht sieht. Aber der Code-Aufkleber ist wirklich recht klein.)

  2. Vielleicht muss ich noch näher ran? Hm, auch das klappt nicht. Denn wenn ich so nah rangehe, dass der Code auf meinem Handy bildfüllend ist, kann die Kamera nicht mehr scharfstellen, weil sie zu nah – sprich: ca 4-5cm – vor dem Objekt ist. Suboptimal, das ganze.
  3. Aber wer nicht wagt, gewinnt nicht! Ich re-installiere also eine andere App, die ausschließlich dafür gemacht ist, QR-Codes zu lesen. Und jetzt? Auch das funktioniert nicht.
  4. Aufgeben? Nicht mit mir. Es ist Zeit für ein Workaround. Ich halte mein Handy in der Distanz, die gerade noch scharfstellt, an die Wand, und mache ein Foto vom QR-Code. Manchmal macht die Kamera nämlich „pur“ bessere Fotos als über Apps. Das Foto lade ich dann in die App hoch. Das versuche ich mehrere Male. Und unglaublich aber wahr: Irgendwann klappts – der QR-Code wird gelesen und in einen Weblink umgewandelt. Ines vs. Technik – 1:0!

Habemus Link! Ich breche nur deshalb nicht in Freudenschreie aus, weil ich mich hier in einem ruhigen, seriösen Kunstraum befinde. Der QR-Code Reader zeigt mir also einen Link an, und ich tippe freudig auf „Open“. Und jetzt passiert folgendes:

  1. Screenshot aus dem QR-Code-Reader

    Screenshot aus dem QR-Code-Reader

    Nichts. Also es passiert schon etwas, aber das Falsche. Es wird mir nämlich angezeigt, dass der Link ungültig ist. Ich solle aber die App Cloudguide aus dem App-Store runterladen. Ok. Einatmen, ausatmen. Los gehts.

  2. Ich installiere also die App. Dann gehe ich nochmal zurück zum QR-Code Reader. Der hat zum Glück eine Verlaufsliste der gescannten Links, sonst müsste ich den Tanz um den güldenen (naja, eigentlich ist er schwarz-weiß) QR-Code nochmals vollführen.
  3. Irgendwie öffnet sich die App, aber auch dort wird ein Fehler angezeigt.
  4. Ich versuche es nochmal, und irgendwann wird die Ausstellung in der App angezeigt. Wie das genau passiert ist? Keine Ahnung, jedenfalls kann ich zu den einzelnen Abschnitten der Ausstellung jetzt jeweils ein Bild und einen Text ansehen.

Yay, habemus Content! Übrigens ist der Inhalt schön schlank programmiert, denn ich muss nur ca. 1MB Daten herunterladen. Das geht sehr schnell und ist gut gemacht. So, was steht denn jetzt in der App? Oh. Es sind 1:1 die Texte, die ohnehin am Beginn jedes Abschnitts an der Wand hängen. Ok. Traurige Ines ist ein bisschen traurig. ?

Warum mich der Inhalt leider eher weniger begeistert hat, und welche Utopien ich mir in puncto (Kunst-)Content auf verschiedenen Plattformen für unterschiedliche Publikumssituationen ausmale, darüber habe ich viel zu sagen. Aber das ist einen eigenen Artikel wert, und den schreibe ich später.

Der Code am Aufsteller samt Handyschatten

Der Code am Aufsteller samt Handyschatten

Mein Handy ist jetzt also um zwei Apps und ich um einige Erfahrungen reicher. Als ich die Ausstellung verlasse, spreche ich den Mann am Ticketschalter an, und erzähle, dass das mit den QR-Codes leider nicht so gut funktioniert. Er ist sehr freundlich und bedankt sich für mein Feedback. Dann zeigt mir der Mann einen kleinen Aufsteller am Eingang, auf dem ein erklärender Satz zur App und der QR-Code dafür draufklebt. Ich versuche, ihn live zu scannen (den Code, nicht den Mann), und es funktioniert auch hier nicht. Weil das Licht von oben entweder spiegelt oder man sich mit dem Handy so einen starken Schatten macht, dass der Code zu wenig Kontrast bekommt und selbst für die Cloudguide-App, die einen QR-Reader eingebaut hat, unlesbar wird. Tja.

Ich bedanke mich nochmal bei dem Mann für seine Zeit und vor allem für die wirklich großartige Ausstellung, die ich euch leider nicht mehr ans Herz legen kann, weil sie schon zu Ende ist. Als ich hinausgehe, fällt mir ein, wo ich so eine ähnliche Situation schon mal erlebt habe: Vor einigen Jahren in der Residenzgalerie Salzburg. Dort waren die QR-Codes noch kleiner ausgedruckt, und sie hingen ca. 5cm neben den Werken. Die Werke dort waren aber keine Fotos, sondern alarmgesicherte, jahrhundertealte, riesige Ölgemälde. Die Handykamera auch nur annähernd nah genug an den Code zu bringen, um ihn zu fotografieren oder zu scannen, daran war gar nicht zu denken. Außer man hätte seinen Spaß daran gehabt, ständig den Alarm auszulösen und der Saalaufsicht dabei zuzusehen, wie sie aufgeregt auf einen zuläuft.

Was ziehe ich daraus für Schlüsse? Zuerst, dass es mir überhaupt nicht darum geht, die Institutionen zu dissen. Im Gegenteil – ich bin wirklich dankbar um jeden Versuch, klassische Ausstellungserlebnisse um digitale Räume zu erweitern. Und wenn etwas nicht funktioniert, kann man oft mehr daraus lernen als von perfekten Dingen. Hier sind drei Sachen, die ich gelernt habe, und die über das konkrete Erlebnis hinaus gehen:

  1. Testen, testen, testen. Wer Software programmiert oder Produkte entwickelt, macht Beta-Tests. Warum nicht auch Museen? Hier hätte z.B. jemand einmal vor der Eröffnung unter realen Lichtbedingungen mit verschiedenen Handys durchgehen können, und es genau so ausprobieren sollen wie ich das getan habe. Dann hätte man gesehen, dass schon der Aufsteller am Eingang lichttechnisch nicht optimal platziert ist, und die Codes an den Wänden zu klein ausgedruckt sind.
  2. Ich weiß von anderen Institutionen und Situationen, nicht nur im Kunstbereich, dass man gerne „irgendwas mit Internet und so einer App“ machen will. Vielleicht weil es gut klingt, oder weil es eben alle anderen auch machen, und weil man ja auch dabei sein will – das ist übrigens bei „ja, machen wir irgendwas mit Storytelling“ dasselbe Problem, aber das ist schon wieder ein anderer Blogartikel.
    Um zu veranschaulichen, was bei „irgendwas mit Social Media“ passiert, erzähle euch von einem privaten Gespräch, das ich vor kurzem mit zwei Filmemachern geführt habe.
    Die Filmemacher: „Wir brauchen übrigens unbedingt was gscheites für unser Social Media für den nächsten Film!“
    Ich: „Super, Idee! Dann könnt ihr das jetzt schon für den Dreh mitdenken. Videos vom Set für die Facebookseite wären super, oder Instagram Stories, da kenne ich ein paar tolle aktuelle Beispiele…“
    Die Filmemacher: „Warum? Wer will sich as anschauen?“
    Ich: „Naja, viele Leute finden einen Blick hinter die Kulissen spannend…“
    Die Filmemacher: „Puh, ich habe noch nie verstanden, warum das für andere interessant ist. Aber ja, wir müssen eh wieder ein kleines Making Of für die DVD drehen, so maximal 7 Minuten. Aber mehr wollen wir nicht.“
    Ich: „Ja, aber die Leute könnten kleinere Clips auf Social Media mit ihren Freunden teilen…“
    Die Filmemacher: „Teilen? Aber warum macht jemand sowas?“
    Am Ende stellte sich heraus, dass beide keinen einzigen Social Media Kanal selbst nutzen. Und dass sie prinzipiell nicht verstehen, warum man irgendetwas mit anderen öffentlich teilen soll, außer mit Freunden per Mail. Beide sind etwa so alt wie ich, leben aber diesbezüglich in einer komplett anderen Blase. Die Vorstellung, was man auf Social Media tut, ist so weit außerhalb ihres Horizonts, dass sie mit dem Grundprinzip davon schlichtweg nichts anfangen können. Dieser Dialog ist übrigens keine Fiktion, und auch kein Einzelfall. Egal ob Journalismus, Film, Theater oder Bildende Kunst, ich habe ihn in meinem Netzwerk dutzende Male gehört. Christian Henner-Fehr z.B. kann euch stundenlang davon erzählen, und liefert dann die Lösung gleich mit, er ist einer der Kompetentesten mit sehr großem Netzwerk. Ich schätze ihn sehr.
    Hartes Fazit meinerseits: Wer so weit weg davon ist, dass jegliches Verständnis dafür fehlt, warum und wie man digitale Räume gemeinsam mit realen Ausstellungen nutzen könnte, lässt am besten gleich die Finger davon. Sonst hat man irgendeine teure App, oder irgendwas im digitalen Raum, weil das jetzt halt alle haben. Aber man wird letztlich niemanden damit erreichen, weil man es in Wahrheit ohnehin nicht will.
    Meine These: Es braucht intern oder extern jemanden, der das Vertrauen der Institution genießt, dafür richtig bezahlt wird, und sich wirklich auskennt. Und den Willen, wirklich Menschen damit zu erreichen. Sonst wird das immer eine halbherzige Sache bleiben, die auch ihr Publikum nicht begeistern kann.
  3. Die Technik is‘ a Hund. Ich gebe es zu: Ich hasse QR-Codes. Zunächst mal, weil sie echt scheisse ausschauen. Ich vermute mal, dass sie deswegen gerne so klein wie möglich ausgedruckt werden, weil sie sonst die Hängung an der Wand optisch stören. Alternative Technologien wie Beacons (mit denen die Cloudguide-App offenbar auch funktioniert) sind teurer und weniger verbreitet, obwohl man dafür nicht mal eine eigene App am Handy braucht. Denn das ist noch so eine Schwierigkeit mit den QR-Codes: Ich brauche eine App, um den Code zu lesen, und in dem Fall noch eine weitere, um die Inhalte zu konsumieren. In Zeiten, wo man eher von alleinstehenden Apps (oh, es gibt auch verheiratete Apps?) weggeht, ist das schwierig. Meine Lieblingslösung wäre ja ein Chatbot, denn den Facebook-Messenger hat fast jeder schon am Handy installiert. Aber auch das ist ein anderer Blogartikel.

Puh, ok, das war jetzt ein Artikel in epischer Länge, aber es musste mal raus. Weil mir das alles sehr am Herzen liegt. Ich freue mich über eure Kommentare und Ideen, über eure eigenen Erlebnisse und Stolpersteine, und über die Erfolge, die ihr in der Verknüpfung von realen mit digitalen (Kunst-)Räumen erlebt habt. Ich bin auch gerne technische Betatesterin für eure Projekte, sofern es meine Zeit erlaubt.

Wenn ihr selbst im Kulturbetrieb arbeitet und euch hier in Wien zu dem Thema austauschen wollt, tretet auf Facebook der Gruppe Social Media Stammtisch Kultur bei. Dort trefft ihr mich auch ab und zu.

Comments 10

  1. Jeder hasst QR-Codes, oder? ;)
    Danke für den Artikel, liebe Ines, ich habe beim lesen mitgelitten und hätte den Versuch nach ca. 15 Sekunden abgebrochen. Chapeau für Dein Durchhaltevermögen. Und ja, im Kulturbereich ist diesbezüglich noch viel zu tun. Immer noch. Viel.

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    Solche Situationen wecken meinen Ehrgeiz! Und ja, im Kulturbereich gibts viel zu tun, und man muss an vielen einzelnen Schrauben drehen, damit sich das Werkl in Bewegung setzt. Der Wille von oben, diie Digitalisierung ernst zu nehmen, scheint mir besonders wichtig (zumindest wenn ich Leuten aus den Institutionen zuhöre), weil viele Museen etc. noch sehr hierarchisch organisiert sind. Wenns da nur eine Person aus einer unteren Hierarchiestufe will, bewegt sich nix. Und: SCHAFFTS DIE DEPPERTEN QR-CODES AB! :-D

  3. Du benennst das fundamentale Problem mit Technik ganz klar: das Testen (a.k.a. Debuggen). Ein Foto, das nicht so gut ist wie eins von Bruce Davidson, funktioniert trotzdem, es hat keinen Bug. Auch das wegwerfen von schlechten Fotos hat was Kreatives. Und es findet sich immer jemand der da(vielleicht motiviert nach einem gemeinsamen Gläschen Wein) dabei ist. Debuggen ist hingegen immer mühsam. Und alle machen sich aus dem Staub. Denn: Debuggen kann objektiv scheitern.

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  5. Liebe Ines, Chapeau für deine Hartnäckigkeit! Eine Anmerkung: Beacons sind überhaupt nicht teuer.. Sonst komplett d accord: ein Königreich für ein Konzept!

  6. Objektiv, auch: intersubjektiv nachprüfbar, auch: „es merkt gleich jeder“. Ich wollt mich noch Ute anschließen: Chapeau für Dein Durchhaltevermögen. Nämlich beim Debuggen. Zweimal vier Schritte und am Schluss ein bisschen traurig. Die haben die QR-Codes gemacht, damit der Besucher die Witwe vom Montmatre besser verstehen kann.

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    @Anne: Oh, die Beacons muss ich neu recherchieren, scheints.

    @Markus: Meine Verzweiflung war also ein Teil des Konzepts? Wow, dann war es sehr erfolgreich. :-)

  8. „It’s not a bug, it’s a Feature!“ Diese Trickserei mit der Wahrnehmung wird bei mir von Softwareverkäufern immer wieder versucht. Auch Softwareverkauf ist eine Kunstform.

  9. Glücklicherweise integriert Apple mit dem kommenden iOS den QR-Code-Reader in die Kamera-App. Das wird dem armen Ding noch einmal etwas Schwung geben. Natürlich bedarf es etwas Erfahrung im Umgang mit den QR-Codes. Da sollte man sich im Zweifel wirklich Hilfe holen.
    Eins noch zum Thema Beacons: Die Kosten spielen tatsächlich nicht mehr die Rolle. Für 10 Euro bekommt man schon recht gute. Allerdings ist der Umgang mit Beacons noch viel komplizierter als mit QR-Codes. Von Genauigkeit kann keine Rede sein. Sie überlagern sich, werden durch Menschen gestört, strahlen weiter als sie sollen,…
    Wir haben ein paar Projekte hinter uns und wir setzen sie heute ganz anders ein als noch zu Beginn. Denn über die Probleme erzählen weder die Hersteller noch die Plattformbetreiber etwas.
    Auch hier kann ich nur empfehlen, sich an einen Profi zu wenden, der schon ein paar Projekt umgesetzt hat. Es gibt sonst viele Tränen!
    Ich gehörte zu den Profis, die vor zwei Jahren beim stARTcamp in Wien waren und habe dort auch über die technischen Machbarkeiten gesprochen. Zwei Jahre weiter und ich habe viel gelernt! Am Ende haben wir es hinbekommen, aber es liegt ein langer Lernprozess hinter uns.

  10. Post
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    Danke für deinen Input, Martin! Ich habe ehrlich gesagt Beacons noch nie in der freien Wildbahn testen können.

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