This is the end

Ihr kennt sicher alle die Stelle in dem Film ADAPTATION, wo Nicholas Cage als schreibblockierter Drehbuchautor verzweifelt mit tausend weiteren Autoren im Seminar von Robert McKee sitzt und sich zur Schnecke machen lässt (solltet ihr das nicht kennen, bitte schleunigst nachholen; ich liebe die Stelle ab 1:44 min. im unteren Video).

Jedenfalls endet die Sequenz in einer Bar, wo Nicolas Cage Robert McKee ausquetscht, dieser einige Allgemeinplätze sagt und dann (sinngemäß) mit der Weisheit herausrückt, dass es eigentlich bloß auf das Ende des Films ankommt: Wenn das großartig ist, werden die Leute alle Fehler vergessen, die im ersten und zweiten Akt vorgekommen sind.

Nun habe ich das bis dato immer geflissentlich ignoriert, weil ich ja überzeugt bin, dass alles gut sein sollte, nicht nur der Schluss. Aber beim Querlesen eines Buches namens „Ins Glück stolpern“ (blöder Titel) bin ich auf etwas Erstaunliches gestoßen. Der Autor beschreibt einen Streit mit seiner Frau wegen „Schindlers Liste“. Er behauptete, dass er den Film hasste, sie meinte, er hätte ihn geliebt. Also liehen sie sich den Film aus und schauten ihn nochmal an. Und da fiel dem Autor auf, was ihn gestört hatte: Die allerletzte Szene, in der die Schaupsieler und Mitarbeiter des Films auf Oskar Schindlers Grab in Israel Steine ablegen. Die fand er aufdringlich, rührselig und überflüssig. Die restlichen 98% des Films hatten ihm aber richtig gut gefallen. Das Hirn hat sich aber offenbar primär das letzte Gefühl gemerkt, es auf den ganzen Film übertragen und ihn als schlecht abgespeichert. Dass dieses Prinzip regelmäßig auftritt, wurde offensichtlich auch in Studien belegt. (1)

Ich habe mir deshalb vorgenommen, in Zukunft noch genauer darauf zu schauen, wie man den Zuseher aus dem Film entlässt. Wie baut man die Emotion am Ende auf? Was empfindet man ganz zum Schluss? Wie sehen die allerletzten Bilder aus? Das kann ja auch der Mundpropaganda des Films nicht schaden, denke ich.

Kennt ihr Filme, die ihr hasst, weil euch das Ende so missfallen hat, obwohl der Rest bis dorthin eigentlich gut war? (Mir fällt gerade keiner ein, das kann aber an einem ausgeprägten Verdrängungsmechanismus liegen…)

(1) Nachzulesen in: Gilbert, Daniel (2006): Ins Glück stolpern. Über die Unvorhersehbarkeit dessen, was wir uns am meisten wünschen. München: Riemann Verlag. S.329ff (Das Buch besteht im Grunde aus eloquent nacherzählten Ergebnissen psychologischer und soziologischer Studien, die erläutern, wie das Gehirn die Vorstellung von Glück herstellt.)

Comments 3

  1. Weniger was mit dem eigentlichen Sinn deines Eintrages zu tun. Aber das oben ist eine meiner Lieblingsszenen des Filmes und „God help you if you use voice over!“ ist einer der besten 4th Wall gags die ich kenne. Da muß ich jedes Mal wieder lachen :)

  2. Post
    Author

    Ich finde die ganze Szene einfach großartig und spiele sie immer den StudentInnen in den ersten fünf Minuten vor, wenn ich einen neuen Kurs beginne. Die fasst unterhaltsamer und kompakter mein Credo zusammen als ich es jemals vortragen könnte.
    (Wobei es durchaus tolle Filme mit Voiceover und Flashbacks gibt. Aber die werden da immer ganz bewusst als Stilmittel eingesetzt und eben nicht als unschöne Krücke, weil einem nichts besseres einfällt. In 95% der Drehbücher, die ich lese und die V.-O. oder Rückblenden verwenden, ist es die Krückenversion.)

  3. Post
    Author

    Zum Beispiel beginnt einer meiner Lieblingsfilme, ETERNAL SUNSHINE OF A SPOTLESS MIND, mit einem Voiceover, und exakt dieses Voiceover hat meine Liebe zu dem Film nach etwa vier Minuten erweckt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.