a grand (and snowy) day out

ch. im café jelinek getroffen, wir besprechen unsere seit einiger zeit geplante friedhofstour. der kellner sieht beim abkassieren ch’s friedhofsbuch auf dem tisch liegen, er blättert darin, will wissen, was wir vorhaben, wir erklären ihm, dass wir friedhöfe besichtigen wollen, und wahrscheinlich denkt er, wir haben den verstand verloren. zumindest sagt das sein gesichtsausdruck.
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erste station ist der friedhof der namenlosen am alberner hafen.
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die kälte ist beissend, ich finde meine handschuhe nicht, und wir haben uns das ein wenig anders vorgestellt. der friedhof für die angeschwemmten liegt schon längst nicht mehr an der donau, und im hintergrund wachsen blau-gelbe riesensilos in den himmel. es ist berührend, dass auf den gräbern blumen liegen, nach jahrzehnten immer noch, für menschen, deren namen man nicht einmal weiß.
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als wir beim zentralfriedhof ankommen, schneit es, besser gesagt: es schneeboasslt. ch. entwickelt ein beinahe wissenschaftliches interesse am schnee, denn sie kennt diese art von styroporkugelartigem schneeschauer nicht, was ich wiederum nicht glauben kann, weil ich annehme, dass es in ihrer alten heimat tirol immer schon mehr geschneit hat als in meiner alten heimat salzburg. nach unserer rückfahrt wird ch. ihre mutter anrufen, die ihr bestätigt, dass es so etwas wie graupelschauer auch in tirol gibt, aber ch. wird darauf bestehen, dass sie diese art schnee noch nie in ihrem leben gesehen hat.
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der graupelschauer wächst sich zu einem schneesturm mit blitz und donner aus, aber wir kämpfen uns tapfer durch die gegend, zuerst zu den ehrengräbern, dann kommen wir am babyfriedhof vorbei. auf der wiese davor hockt ein schwarm raben oder krähen, die aufflattern, als wir kommen. der babyfriedhof ist unheimlich, man kommt sich vor wie ein voyeur, und das alles ist unendlich traurig.
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wir kämpfen uns durch den schneesturm zum haupttor zurück und wärmen uns im auto auf. dann fahren wir zum tor 1 zurück und statten dem jüdischen friedhof einen besuch ab. unter meinen schuhen knirscht der schnee, die nässe kriecht an den hosenbeinen hoch. die umgestürzten grabsteine sind mit schnee bedeckt und alles wirkt sehr zeitlos.
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zum aufwärmen kehren wir im concordia ein und trinken glühwein. und dann sitzen wir dort ein paar stunden und erzählen uns dies und das. am ende bin ich müde, es war ein großartiger tag und ch. und ich fühlen uns wie entdeckerinnen im ewigen schnee.
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(c) fotos: i.häufler

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